Aufruf für eine zeitgemäße Reform der Grundsteuer

Geschrieben von: Leben im Dorf am .

Ein wirtschaftlicher Umgang mit dem knappen Gut Fläche, die innerörtliche Aktivierung von Flächen für Wohnen und Gewerbe und die Ertüchtigung des Gebäudebestands sind dauerhafte Herausforderungen in und für die Städte und Gemeinden überall in Deutschland. Der Grundsteuer könnte hierbei eine Schlüsselrolle zukommen, indem sie mit ihrer Lenkungswirkung die Bewältigung dieser Herausforderungen künftig befördert. Für die Kommunen bundesweit wäre eine zeitgemäße, weil investitionsfreundliche, sozial ausgewogene und zukunftsgerichtete Grundsteuer von großer Bedeutung.

Wir, die Unterzeichnenden, appellieren daher an die Finanzministerkonferenz der Länder, die Untersuchung verschiedener Grundsteuer-Reformmodelle zu ergänzen um zwei Varianten, und zwar die „reine Bodenwertsteuer“ und die „kombinierte Bodenwert- und Bodenflächensteuer.“ Beide Varianten haben sich bereits in einem kommunalen Praxistext als vorzugswürdig herausgestellt.  Eine Entscheidung über die Reform der Grundsteuer darf erst getroffen werden, nachdem auch diese beiden Varianten verprobt und mit den Verprobungsergebnissen der anderen untersuchten Varianten verglichen wurden. Wir appellieren außerdem an die kommunalen Spitzenverbände, sich gemeinsam mit uns für eine umfassende Prüfung und Bewertung der zwei erwähnten Varianten einzusetzen.

Hintergrund:

Die Grundsteuer B (auf Bauland und bebautes Land) wird heute auf Basis von Einheitswerten erhoben, die auf die Jahre 1964 (West) und 1935 (Ost) zurückgehen. Niveau und Struktur der Werte sind damit gegenüber den Verkehrswerten und anderen Vermögenswerten so sehr veraltet und verzerrt, dass der Bundesfinanzhof sie für nicht mehr verfassungsgemäß hält. Auch weitere Inhalte des Grundsteuergesetzes gelten inzwischen als überholt. Eine zeitnahe Reform der Grundsteuer steht also an. Die Finanzministerien der Länder diskutieren und prüfen seit einiger Zeit drei unterschiedliche Modelle zur Reform der Grundsteuer: Eine Grundsteuer „auf der Basis von Verkehrswerten“, ermittelt anhand statistischer Verfahren; eine „vereinfachte“ Grundsteuer, welche Vermögenswerte völlig ausklammern und nur noch Flächengrößen besteuern würde; schließlich eine mögliche Kombination aus den beiden vorgenannten Modellen.

Alle drei Modelle sehen jedoch wie bisher die Besteuerung sowohl von Grund und Boden als auch der aufstehenden Gebäude vor („verbundene Bemessungsgrundlage“). Dies halten wir für nicht mehr zeitgemäß. Die Besteuerung der Gebäude entmutigt Investitionen, befördert den Landschaftsverbrauch, gefährdet den sozialen Zusammenhalt, indem sie Mieter vergleichsweise stark belastet, und ist auch noch ausgesprochen verwaltungsaufwändig. Für sinnvoller und unbedingt näher prüfenswert erachten wir eine Grundsteuer mit unverbundener, nur an Grund und Boden anknüpfender Bemessungsgrundlage. Die dazu erforderlichen Rohdaten (Bodenrichtwerte und Grundstücksgrößen) wurden bereits für die Verprobung der drei bisherigen Modelle erhoben und können zeitnah und mit wenig Aufwand im Hinblick auf die beiden weiteren Varianten miteinander verknüpft werden.

Im Einzelnen sprechen – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der langfristigen Herausforderungen Klimaschutz, demografischer Wandel sowie Sicherung von Lebensqualität und kommunalen Finanzen – folgende Gründe für eine Grundsteuer mit unverbundener, nur an Grund und Boden anknüpfende Bemessungsgrundlage:

  • Der Gebäudebestand ist größtenteils überaltert, sowohl energetisch als auch mit Blick auf den demographischen Wandel und veränderte Nutzerbedürfnisse. Bauten aller Art und allen Alters bedürfen innerhalb ihres Lebenszyklus wiederkehrender Erneuerung. Das spart Ressourcen, bewahrt und erhöht die Zukunftsfähigkeit der Gebäude und schafft und sichert Arbeitsplätze im örtlichen Handwerk.

  • Knappe Flächen müssen effizient genutzt werden. Baulücken, Industriebrachen u.ä. sollen aktiviert und bevorzugt (wieder) bebaut werden. Land, das erschlossen und bebaubar ist, soll auch tatsächlich so wie von der Gemeinde geplant genutzt werden. Zusätzliche Wohnungen sollen bevorzugt zentrennah entstehen. Das alles stärkt die Ortskerne, bewahrt Natur und Landschaft vor weiterer unnötiger Zersiedlung, lastet die vorhandene Infrastruktur besser aus und schont die kommunalen Haushalte.

  • Beides, die periodisch erforderlichen Bestandsinvestitionen wie die effiziente Flächennutzung sind Daueraufgaben und müssen für Eigentümer attraktiver werden. Eine Grundsteuer ohne Besteuerung der aufstehenden Gebäude würde zu Investitionen ermuntern. Bereits eine entsprechend ausgestaltete, wie derzeit angestrebt aufkommensneutrale Grundsteuerreform würde in diese Richtung wirken. Demgegenüber würde eine Grundsteuer, die auch das Gebäude besteuert, Investitionen regelrecht bestrafen und staatlichen finanziellen Anreizen bspw. zur energetischen Modernisierung zuwiderlaufen.

  • Eine unverbundene, nur an Grund und Boden als Bemessungsgrundlage anknüpfende Grundsteuer besteuert die Bodenrente der Grundeigentümer. Das ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Die Bodenrente entsteht zu großen Teilen erst aufgrund von Investitionen der öffentlichen Hand und somit der Allgemeinheit. Durch die Kopplung von Kosten und Nutzen beachtet eine bodenwertbezogene Grundsteuer somit das Äquivalenzprinzip. Außerdem berücksichtigt sie in idealer Weise das Leistungsfähigkeitsprinzip und stärkt im Marktgeschehen die Position der Mieter gegenüber den Vermietern.

  • Der Verwaltungsaufwand zur Ermittlung und Erhebung der Grundsteuer muss sich in einem vertretbaren Rahmen halten. Jede Form der Gebäudebesteuerung, sei sie flächen- oder wertebasiert, erhöht den Aufwand (auch die Streitanfälligkeit) gegenüber einer rein bodenbasierten Besteuerung um ein Vielfaches. Ein Nebenziel der Grundsteuerreform – Verwaltungsvereinfachung – würde dadurch konterkariert.

Für eine zeitgemäße Grundsteuer: investitionsfreundlich – sozial ausgewogen – zukunftsgerichtet

im Oktober 2012

Erstunterzeichner:

Martin Finzel, Erster Bürgermeister der Gemeinde Ahorn und stellv. Vorsitzender der Initiative Rodachtal
Anton Knapp, Bürgermeister der Stadt Hüfingen
Walter Lampe, Bürgermeister der Samtgemeinde Oberharz
Jürgen Lübbers, Bürgermeister der Samtgemeinde Barnstorf
TOP 3 Deutschlands nachhaltigste Kleinstädte und Gemeinden 2012
Klaus Lütkefedder, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Wallmerod
Boris Palmer, Oberbürgermeister der Universitätsstadt Tübingen
TOP 3 Deutschlands nachhaltigste Städte mittlerer Größe 2012
Olaf Tschimpke, Präsident des Naturschutzbund Deutschland e.V.
Prof. Dr. Dirk Löhr, Zentrum für Bodenschutz und Flächenhaushaltspolitik am Umwelt-Campus Birkenfeld, Fachhochschule Trier
Der vorstehende Aufruf entstand aus einer mehrjährigen Projektpartnerschaft zwischen den erstunterzeichnenden Städten und Gemeinden und dem Naturschutzbund Deutschland e.V. im Rahmen des REFINA-Forschungsprogramms sowie in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Dirk Löhr.

Unterstützer:

Bürgermeister:
Horst Ansén, Bürgermeister der Gemeinde Ammersbek, Kreis Stormarn
Wilhelm Falldorf, Bürgermeister der Gemeinde Wagenfeld, Landkreis Diepholz
Gerhard Loos, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Westerburg, Westerwaldkreis
Karl Meyer, Bürgermeister der Stadt Twistringen, Landkreis Diepholz
Willibald Meyer, Bürgermeister der Gemeinde Goldenstedt, Landkreis Vechta
Jochen Paleit, Bürgermeister der Gemeinde Kappel-Grafenhausen, Ortenaukreis
Friedrich Scheerer, Bürgermeister der Gemeinde Mönchweiler, Schwarzwald-Baar-Kreis
Dr. Hans-Georg Rips, Bürgermeister der Stadt Erftstadt, Rhein-Erft-Kreis
Weitere Bürgermeister angefragt

Verbände und andere Institutionen:
Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. (FÖS)
Seminar für freiheitliche Ordnung e.V.
Sozialwissenschaftliche Gesellschaft 1950 e.V.
Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung (SRL) e.V.
vhw – Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e. V.
Weitere Verbände angefragt

Rückfragen und Beitrittserklärungen zu diesem Aufruf bitte an:

für Baden-Württemberg: Ulrich Narr, Universitätsstadt Tübingen, Friedrichstraße 21, 72072 Tübingen, Diese E-Mail-Adresse ist gegen Spambots geschützt! JavaScript muss aktiviert werden, damit sie angezeigt werden kann. Tel. 07071 204-1700

für Bayern und Thüringen: Martin Finzel, Gemeinde Ahorn, Hauptstraße 40, 96482 Ahorn, Diese E-Mail-Adresse ist gegen Spambots geschützt! JavaScript muss aktiviert werden, damit sie angezeigt werden kann. Tel. 09561 8141-44
für Niedersachsen: Jürgen Lübbers, Samtgemeinde Barnstorf, Am Markt 4, 49406 Barnstorf, Diese E-Mail-Adresse ist gegen Spambots geschützt! JavaScript muss aktiviert werden, damit sie angezeigt werden kann. , Tel. 05442 809-24

für Rheinland-Pfalz: Klaus Lütkefedder, Verbandsgemeinde Wallmerod, Gerichtsstraße 1, 56414 Wallmerod, Diese E-Mail-Adresse ist gegen Spambots geschützt! JavaScript muss aktiviert werden, damit sie angezeigt werden kann. Tel. 06435 508-12

für die übrigen Bundesländer und allgemeine Anfragen:
Diese E-Mail-Adresse ist gegen Spambots geschützt! JavaScript muss aktiviert werden, damit sie angezeigt werden kann. oder

Prof. Dr. Dirk Löhr, Zentrum für Bodenschutz und Flächenhaushaltspolitik, Umwelt-Campus Birkenfeld, Postfach 1380, 55761 Birkenfeld, Diese E-Mail-Adresse ist gegen Spambots geschützt! JavaScript muss aktiviert werden, damit sie angezeigt werden kann. Mobil 0172 623 99 42

Dr. Ulrich Kriese, Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU), Charitéstraße 3, 10117 Berlin, Diese E-Mail-Adresse ist gegen Spambots geschützt! JavaScript muss aktiviert werden, damit sie angezeigt werden kann. Mobil 0176 875 99 511

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